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LIBRETTO |
ERSTER AUFZUG
(aus der Höhe, wie vom Mast her, vernehmbar) Westwärts schweift der Blick: ostwärts streicht das Schiff. Frisch weht der Wind der Heimat zu: mein irisch Kind, wo weilest du? Sind's deiner Seufzer Wehen, die mir die Segel blähen? Wehe, wehe, du Wind! Weh, ach wehe, mein Kind! Irische Maid, du wilde, minnige Maid! Isolde (jäh auffahrend) Wer wagt mich zu höhnen? (sie blickt verstört um sich) Brangäne, du? Sag, wo sind wir? Brangäne (an der Öffnung) Blaue Streifen stiegen im Westen auf; sanft und schnell segelt das Schiff: auf ruhiger See vor Abend erreichen wir sicher das Land. Isolde Welches Land? Brangäne Kornwalls grünen Strand. Isolde Nimmermehr! Nicht heut noch morgen! Brangäne (läßt den Vorhang zufallen und eilt bestürzt zu Isolde) Was hör' ich? Herrin! Ha! Isolde (wild vor sich hin) Entartet Geschlecht! Unwert der Ahnen! Wohin, Mutter, vergabst du die Macht, über Meer und Sturm zu gebieten? O zahme Kunst der Zauberin, die nur Balsamtränke noch braut! Erwache mir wieder, kühne Gewalt; herauf aus dem Busen, wo du dich bargst! Hört meinen Willen, zagende Winde! Heran zu Kampf und Wettergetös'! Zu tobender Stürme wütendem Wirbel! Treibt aus dem Schlaf dies träumende Meer, weckt aus dem Grund seine grollende Gier! Zeigt ihm die Beute, die ich ihm biete! Zerschlag es dies trotzige Schiff, des zerschellten Trümmer verschling's! Und was auf ihm lebt, den wehenden Atem, den laß ich euch Winden zum Lohn! Brangäne (im äußersten Schreck, um Isolde sich bemühend) O weh! Ach! Ach des Übels, das ich geahnt! Isolde! Herrin! Teures Herz! Was bargst du mir so lang? Nicht eine Träne weintest du Vater und Mutter; kaum einen Gruß den Bleibenden botest du. Von der Heimat scheidend kalt und stumm, bleich und schweigend auf der Fahrt; ohne Nahrung, ohne Schlaf; starr und elend, wild verstört: wie ertrug ich, so dich sehend, nichts dir mehr zu sein, fremd vor dir zu stehn? Oh, nun melde, was dich müht? Sage, künde, was dich quält? Herrin Isolde, trauteste Holde, soll sie wert sich dir wähnen, vertraue nun Brangänen! Isolde Luft! Luft! Mir erstickt das Herz! Öffne! Öffne dort weit! (Brangäne zieht eilig die Vorhänge in der Mitte auseinander) (Man blickt dem Schiff entlang bis zum Steuerbord, über den Bord hinaus auf das Meer und den Horizont. Um den Hauptmast in der Mitte ist Seevolk, mit Tauen beschäftigt, gelagert; über sie hinaus gewahrt man am Steuerbord Ritter und Knappen, ebenfalls gelagert; von ihnen etwas entfernt Tristan, mit verschränkten Armen stehend und sinnend in das Meer blickend; zu Füßen ihm, nachlässig gelagert, Kurwenal) Stimme des jungen Seemanns (vom Mast her, aus der Höhe) Frisch weht der Wind der Heimat zu: mein irisch Kind, wo weilest du? Sind's deiner Seufzer Wehen, die mir die Segel blähen? Wehe, wehe, du Wind! Weh, ach wehe, mein Kind! Isolde (deren Blick sogleich Tristan fand und starr auf ihn geheftet blieb, dumpf für sich) Mir erkoren, mir verloren, hehr und heil, kühn und feig! Todgeweihtes Haupt! Todgeweihtes Herz! (Zu Brangäne, unheimlich lachend) Was hältst du von dem Knechte? Brangäne (ihrem Blicke folgend) Wen meinst du? Isolde Dort den Helden, der meinem Blick den seinen birgt, in Scham und Scheue abwärts schaut. Sag, wie dünkt er dich? Brangäne Frägst du nach Tristan, teure Frau, dem Wunder aller Reiche, dem hochgepriesnen Mann, dem Helden ohne Gleiche, des Ruhmes Hort und Bann? Isolde (sie verhöhnend) Der zagend vor dem Streiche sich flüchtet, wo er kann, weil eine Braut er als Leiche für seinen Herrn gewann! Dünkt es dich dunkel, mein Gedicht? Frag ihn denn selbst, den freien Mann, ob mir zu nahn er wagt? Der Ehren Gruß und zücht'ge Acht vergißt der Herrin der zage Held, daß ihr Blick ihn nur nicht erreiche, den Helden ohne Gleiche! Oh, er weiß wohl, warum! Zu dem Stolzen geh, meld ihm der Herrin Wort: Meinem Dienst bereit, schleunig soll er mir nahn. Brangäne Soll ich ihn bitten, dich zu grüßen? Isolde Befehlen ließ dem Eigenholde Furcht der Herrin ich, Isolde! (Auf Isoldes gebieterischen Wink entfernt sich Brangäne und schreitet verschämt dem Deck entlang dem Steuerbord zu, an den arbeitenden Seeleuten vorbei. Isolde, mit starrem Blicke ihr folgend, zieht sich rücklings nach dem Ruhebett zurück, wo sie sitzend während des Folgenden bleibt, das Auge unabgewandt nach dem Steuerbord gerichtet) Kurwenal (der Brangäne kommen sieht, zupft, ohne sich zu erheben, Tristan am Gewande) Hab acht, Tristan! Botschaft von Isolde. Tristan (auffahrend) Was ist? Isolde? (Er faßt sich schnell, als Brangäne vor ihm anlangt und sich verneigt) Von meiner Herrin? Ihr gehorsam was zu hören meldet höfisch mir die traute Magd? Brangäne Mein Herre Tristan, Euch zu sehen wünscht Isolde, meine Frau. Tristan Grämt sie die lange Fahrt, die geht zu End'; eh noch die Sonne sinkt, sind wir am Land. Was meine Frau mir befehle, treulich sei's erfüllt. Brangäne So mög' Herr Tristan zu ihr gehn: das ist der Herrin Will'. Tristan Wo dort die grünen Fluren dem Blick noch blau sich färben, harrt mein König meiner Frau: zu ihm sie zu geleiten, bald nah' ich mich der Lichten; keinem gönnt' ich diese Gunst. Brangäne Mein Herre Tristan, höre wohl: deine Dienste will die Frau, daß du zur Stell' ihr nahtest dort, wo sie deiner harrt. Tristan Auf jeder Stelle, wo ich steh', getreulich dien ich ihr, der Frauen höchster Ehr'; ließ' ich das Steuer jetzt zur Stund', wie lenkt' ich sicher den Kiel zu König Markes Land? Brangäne Tristan, mein Herre, was höhnst du mich? Dünkt dich nicht deutlich die tör'ge Magd, hör meiner Herrin Wort! So, hieß sie, sollt' ich sagen: Befehlen ließ' dem Eigenholde Furcht der Herrin sie, Isolde. Kurwenal (aufspringend) Darf ich die Antwort sagen? Tristan (ruhig) Was wohl erwidertest du? Kurwenal Das sage sie der Frau Isold'! Wer Kornwalls Kron' und Englands Erb' an Irlands Maid vermacht, der kann der Magd nicht eigen sein, die selbst dem Ohm er schenkt. Ein Herr der Welt Tristan der Held! Ich ruf's: du sag's, und grollten mir tausend Frau Isolden! (Da Tristan durch Gebärden ihm zu wehren sucht und Brangäne entrüstet sich zum Weggehen wendet, singt Kurwenal der zögernd sich Entfernenden mit höchster Stärke nach:) Herr Morold zog zu Meere her, in Kornwall Zins zu haben; ein Eiland schwimmt auf ödem Meer, da liegt er nun begraben! Sein Haupt doch hängt im Irenland, als Zins gezahlt von Engeland: Hei! Unser Held Tristan, wie der Zins zahlen kann!" (Kurwenal, von Tristan fortgescholten, ist in den Schiffsraum hinabgestiegen; Brangäne in Bestürzung zu Isolde zurück- gekehrt, schließt hinter sich die Vorhänge, während die ganze Mannschaft außen sich hören läßt) Alle Männer Sein Haupt doch hängt im Irenland, als Zins gezahlt von Engeland: Hei! Unser Held Tristan, wie der Zins zahlen kann! (Isolde und Brangäne allein, bei vollkommen wieder geschlossenen Vorhängen. Isolde erhebt sich mit ver- zweiflungsvoller Wutgebärde. Brangäne stürzt ihr zu Füßen) Brangäne Weh, ach wehe! Dies zu dulden! Isolde (dem furchtbarsten Ausbruche nahe, schnell sich zusammenraffend) Doch nun von Tristan! Genau will ich's vernehmen. Brangäne Ach, frage nicht! Isolde Frei sag's ohne Furcht! Brangäne Mit höf'schen Worten wich er aus. Isolde Doch als du deutlich mahntest? Brangäne Da ich zur Stell' ihn zu dir rief: wo er auch steh', so sagte er, getreulich dien' er ihr, der Frauen höchster Ehr'; ließ' er das Steuer jetzt zur Stund', wie lenkt' er sicher den Kiel zu König Markes Land? Isolde (schmerzlich bitter) "Wie lenkt' er sicher den Kiel zu König Markes Land?" (grell und heftig) Den Zins ihm auszuzahlen, den er aus Irland zog! Brangäne Auf deine eignen Worte, als ich ihm die entbot, ließ seinen Treuen Kurwenal Isolde Den hab ich wohl vernommen, kein Wort, das mir entging. Erfuhrest du meine Schmach, nun höre, was sie mir schuf. Wie lachend sie mir Lieder singen, wohl könnt' auch ich erwidern von einem Kahn, der klein und arm an Irlands Küste schwamm, darinnen krank ein siecher Mann elend im Sterben lag. Isoldes Kunst ward ihm bekannt; mit Heilsalben und Balsamsaft der Wunde, die ihn plagte, getreulich pflag sie da. Der "Tantris" mit sorgender List sich nannte, als Tristan Isold' ihn bald erkannte, da in des Müß'gen Schwerte eine Scharte sie gewahrte, darin genau sich fügt' ein Splitter, den einst im Haupt des Iren-Ritter, zum Hohn ihr heimgesandt, mit kund'ger Hand sie fand. Da schrie's mir auf aus tiefstem Grund! Mit dem hellen Schwert ich vor ihm stund, an ihm, dem Überfrechen, Herrn Morolds Tod zu rächen. Von seinem Lager blickt' er her nicht auf das Schwert, nicht auf die Hand er sah mir in die Augen. Seines Elendes jammerte mich! Das Schwert, ich ließ es fallen! Die Morold schlug, die Wunde, sie heilt' ich, daß er gesunde und heim nach Hause kehre, mit dem Blick mich nicht mehr beschwere! Brangäne O Wunder! Wo hatt' ich die Augen? Der Gast, den einst ich pflegen half? Isolde Sein Lob hörtest du eben: "Hei! Unser Held Tristan" der war jener traur'ge Mann. Er schwur mit tausend Eiden mir ew'gen Dank und Treue! Nun hör, wie ein Held Eide hält! Den als Tantris unerkannt ich entlassen, als Tristan kehrt' er kühn zurück; auf stolzem Schiff, von hohem Bord, Irlands Erbin begehrt' er zur Eh' für Kornwalls müden König, für Marke, seinen Ohm. Da Morold lebte, wer hätt' es gewagt uns je solche Schmach zu bieten? Für der zinspflicht'gen Kornen Fürsten um Irlands Krone zu werben! Ach, wehe mir! Ich ja war's, die heimlich selbst die Schmach sich schuf! Das rächende Schwert, statt es zu schwingen, machtlos ließ ich's fallen! Nun dien' ich dem Vasallen! Brangäne Da Friede, Sühn' und Freundschaft von allen ward beschworen, wir freuten uns all' des Tags; wie ahnte mir da, daß dir es Kummer schüf'? Isolde O blinde Augen, blöde Herzen! Zahmer Mut, verzagtes Schweigen! Wie anders prahlte Tristan aus, was ich verschlossen hielt! Die schweigend ihm das Leben gab, vor Feindes Rache ihn schweigend barg; was stumm ihr Schutz zum Heil ihm schuf mit ihr gab er es preis! Wie siegprangend heil und hehr, laut und hell wies er auf mich: "Das wär ein Schatz, mein Herr und Ohm; wie dünkt Euch die zur Eh'? Die schmucke Irin hol' ich her; mit Steg' und Wegen wohlbekannt, ein Wink, ich flieg' nach Irenland: Isolde, die ist Euer! Mir lacht das Abenteuer!" Fluch dir, Verruchter! Fluch deinem Haupt! Rache! Tod! Tod uns beiden! Brangäne (mit ungestümer Zärtlichkeit auf Isolde stürzend) O Süße! Traute! Teure! Holde! Goldne Herrin! Lieb' Isolde! (Sie zieht Isolde allmählich nach dem Ruhebett) Hör mich! Komme! Setz dich her! Welcher Wahn, welch eitles Zürnen! Wie magst du dich betören, nicht hell zu sehn noch hören? Was je Herr Tristan dir verdankte, sag, konnt' er's höher lohnen als mit der herrlichsten der Kronen? So dient' er treu dem edlen Ohm; dir gab er der Welt begehrlichsten Lohn: dem eignen Erbe, echt und edel, entsagt' er zu deinen Füßen, als Königin dich zu grüßen! (Isolde wendet sich ab) Und warb er Marke dir zum Gemahl, wie wolltest du die Wahl doch schelten, muß er nicht wert dir gelten? Von edler Art und mildem Mut, wer gliche dem Mann an Macht und Glanz? Dem ein hehrster Held so treulich dient, wer möchte sein Glück nicht teilen, als Gattin bei ihm weilen? Isolde (starr vor sich hinblickend) Ungeminnt den hehrsten Mann stets mir nah zu sehen! Wie könnt' ich die Qual bestehen? Brangäne Was wähnst du, Arge? Ungeminnt? (Sie nähert sich schmeichelnd und kosend Isolde) Wo lebte der Mann, der dich nicht liebte? Der Isolde säh' und in Isolden selig nicht ganz verging'? Doch der dir erkoren, wär' er so kalt, zög' ihn von dir ein Zauber ab: den bösen wüßt' ich bald zu binden. Ihn bannte der Minne Macht. (mit geheimnisvoller Zutraulichkeit ganz zu Isolde) Kennst du der Mutter Künste nicht? Wähnst du, die alles klug erwägt, ohne Rat in fremdes Land hätt' sie mit dir mich entsandt? Isolde (düster) Der Mutter Rat gemahnt mich recht; willkommen preis' ich ihre Kunst: Rache für den Verrat, Ruh' in der Not dem Herzen! Den Schrein dort bring mir her! Brangäne Er birgt, was Heil dir frommt. (Sie holt eine kleine goldne Truhe herbei, öffnet sie und deutet auf ihren Inhalt) So reihte sie die Mutter, die mächt'gen Zaubertränke. Für Weh und Wunden Balsam hier; für böse Gifte Gegengift. (Sie zieht ein Fläschen hervor) Den hehrsten Trank, ich halt' ihn hier. Isolde Du irrst, ich kenn' ihn besser; ein starkes Zeichen schnitt ich ihm ein. (Sie ergreift ein Fläschen und zeigt es) Der Trank ist's, der mir taugt! Brangäne (weicht entsetzt zurück) Der Todestrank! (Isolde hat sich vom Ruhebett erhoben und vernimmt mit wachsendem Schrecken den Ruf des Schiffvolks) Schiffsvolk (von außen) Ho! He! Ha! He! Am Untermast die Segel ein! Ho! He! Ha! He! Isolde Das deutet schnelle Fahrt. Weh mir! Nahe das Land! iv. Szene(Durch
die Vorhänge tritt mit Ungestüm Kurwenal herein) (Kurwenal
geht wieder zurück. Brangäne, kaum ihrer mächtig, wendet sich in den Hintergrund.
Isolde, ihr ganzes Gefühl zur Entscheidung zusammenfassend, schreitet
langsam, mit großer Haltung, dem Ruhebett zu, auf dessen Kopfende sich
stützend sie den Blick fest dem Eingange zuwendet. Tristan tritt ein
und bleibt ehrerbietig am Eingange stehen. Isolde ist mit furchtbarer
Aufregung in seinen Anblick versunken.
ZWEITER AUFZUG Isolde
Tristan
Wozu die
Dienste
DRITTER AUFZUGTristans Burg in der Bretagne. Burggarten. Zur einen Seite hohe Burggebäude, zur andren eine niedrige Mauerbrüstung, von einer Warte unterbrochen; im Hintergrunde das Burgtor. Die Lage ist auf felsiger Höhe anzunehmen; durch Öffnungen blickt man auf einen weiten Meereshorizont. Das Ganze macht den Eindruck der Herrenlosigkeit, übel gepflegt, hie und da schadhaft und bewachsen. (Im Vordergrunde, an der inneren Seite, liegt Tristan, unter dem Schatten einer großen Linde, auf einem Ruhebett schlafend, wie leblos ausgestreckt. Zu Häupten ihm sitzt Kurwenal, in Schmerz über ihn ingebeugt und sorgsam seinem Atem lauschend. Von der Außenseite her hört man, beim Aufziehen des Vorhanges, einen Hirtenreigen, sehnsüchtig und traurig auf einer Schalmei geblasen. Der Hirt erscheint selbst mit dem Oberleibe über der Mauerbrüstung und blickt teilnehmend herein) Hirt (leise) Kurwenal! He! Sag, Kurwenal! Hör doch, Freund! (Kurwenal wendet ein wenig das Haupt nach ihm) Wacht er noch nicht? Kurwenal (schüttelt traurig mit dem Kopf) Erwachte er, wär's doch nur, um für immer zu verscheiden: erschien zuvor die Ärztin nicht, die einz'ge, die uns hilft. Sahst du noch nichts? Kein Schiff noch auf der See? Hirt Eine andre Weise hörtest du dann, so lustig, als ich sie nur kann. Nun sag auch ehrlich, alter Freund: was hat's mit unserm Herrn? Kurwenal Laß die Frage: du kannst's doch nie erfahren. Eifrig späh, und siehst du ein Schiff, so spiele lustig und hell! (Der Hirt wendet sich und späht, mit der Hand überm Auge, nach dem Meer aus) Hirt Öd und leer das Meer! (Er setzt die Schalmei an den Mund und entfernt sich blasend) Tristan (bewegungslos, dumpf) Die alte Weise was weckt sie mich? Kurwenal (fährt erschrocken auf) Ha! Tristan (schlägt die Augen auf und wendet das Haupt ein wenig) Wo bin ich? Kurwenal Ha! Diese Stimme! Seine Stimme! Tristan, Herre! Mein Held, mein Tristan! Tristan (mit Anstrengung) Wer ruft mich? Kurwenal Endlich! Endlich! Leben, o Leben! Süßes Leben, meinem Tristan neu gegeben! Tristan (ein wenig auf dem Lager sich erhebend, matt) Kurwenal, du? Wo war ich? Wo bin ich? Kurwenal Wo du bist? In Frieden, sicher und frei! Kareol, Herr: kennst du die Burg der Väter nicht? Tristan Meiner Väter? Kurwenal Sieh dich nur um! Tristan Was erklang mir? Kurwenal Des Hirten Weise hörtest du wieder; am Hügel ab hütet er deine Herde. Tristan Meine Herde? Kurwenal Herr, das mein' ich! Dein das Haus, Hof und Burg! Das Volk, getreu dem trauten Herrn, so gut es konnt', hat's Haus und Hof gepflegt, das einst mein Held zu Erb' und Eigen an Leut' und Volk verschenkt, als alles er verließ, in fremde Land' zu ziehn. Tristan In welches Land? Kurwenal Hei! Nach Kornwall: kühn und wonnig, was sich da Glanzes, Glück und Ehren Tristan, mein Held, hehr ertrotzt! Tristan Bin ich in Kornwall? Kurwenal Nicht doch: in Kareol! Tristan Wie kam ich her? Kurwenal Hei nun! Wie du kamst? Zu Roß rittest du nicht; ein Schifflein führte dich her. Doch zu dem Schifflein hier auf den Schultern trug ich dich; die sind breit, sie trugen dich dort zum Strand. Nun bist du daheim, daheim zu Land: im echten Land, im Heimatland; auf eigner Weid' und Wonne, im Schein der alten Sonne, darin von Tod und Wunden du selig sollst gesunden. (Er schmiegt sich an Tristans Brust) Tristan (nach einem kleinen Schweigen) Dünkt dich das? Ich weiß es anders, doch kann ich's dir nicht sagen. Wo ich erwacht weilt' ich nicht; doch, wo ich weilte, das kann ich dir nicht sagen. Die Sonne sah ich nicht, noch sah ich Land und Leute: doch, was ich sah, das kann ich dir nicht sagen. Ich war, wo ich von je gewesen, wohin auf je ich geh' im weiten Reich der Weltennacht. Nur ein Wissen dort uns eigen: göttlich ew'ges Ur-Vergessen! Wie schwand mir seine Ahnung? Sehnsücht'ge Mahnung, nenn' ich dich, die neu dem Licht des Tags mich zugetrieben? Was einzig mir geblieben, ein heiß-inbrünstig Lieben, aus Todes-Wonne-Grauen jagt's mich, das Licht zu schauen, das trügend hell und golden noch dir, Isolden, scheint! (Kurwenal birgt, von Grausen gepackt, sein Haupt. Tristan richtet sich allmählich immer mehr auf) Isolde noch im Reich der Sonne! Im Tagesschimmer noch Isolde! Welches Sehnen! Welches Bangen! Sie zu sehen, welch Verlangen! Krachend hört' ich hinter mir schon des Todes Tor sich schließen: weit nun steht es wieder offen, der Sonne Strahlen sprengt' es auf; mit hell erschloßnen Augen mußt' ich der Nacht enttauchen sie zu suchen, sie zu sehen; sie zu finden, in der einzig zu vergehen, zu entschwinden Tristan ist vergönnt. Weh, nun wächst, bleich und bang, mir des Tages wilder Drang; grell und täuschend sein Gestirn weckt zu Trug und Wahn mir das Hirn! Verfluchter Tag mit deinem Schein! Wachst du ewig meiner Pein? Brennt sie ewig, diese Leuchte, die selbst nachts von ihr mich scheuchte? Ach, Isolde, süße Holde! Wann endlich, wann, ach wann löschest du die Zünde, daß sie mein Glück mir künde? Das Licht, wann löscht es aus? (Er sinkt erschöpft leise zurück) Wann wird es Nacht im Haus? Kurwenal (nach großer Erschütterung aus der Niederschlagenheit sich aufraffend) Der einst ich trotzt', aus Treu' zu dir, mit dir nach ihr nun muß ich mich sehnen. Glaub meinem Wort: du sollst sie sehen hier und heut; den Trost kann ich dir geben ist sie nur selbst noch am Leben. Tristan (sehr matt) Noch losch das Licht nicht aus, noch ward's nicht Nacht im Haus: Isolde lebt und wacht; sie rief mich aus der Nacht. Kurwenal Lebt sie denn, so laß dir Hoffnung lachen! Muß Kurwenal dumm dir gelten, heut sollst du ihn nicht schelten. Wie tot lagst du seit dem Tag, da Melot, der Verruchte, dir eine Wunde schlug. Die böse Wunde, wie sie heilen? Mir tör'gem Manne dünkt' es da, wer einst dir Morolds Wunde schloß, der heilte leicht die Plagen, von Melots Wehr geschlagen. Die beste Ärztin bald ich fand; nach Kornwall hab' ich ausgesandt: ein treuer Mann wohl übers Meer bringt dir Isolde her. Tristan (außer sich) Isolde kommt! Isolde naht! (Er ringt gleichsam nach Sprache) O Treue! Hehre, holde Treue! (Er zieht Kurwenal an sich und umarmt ihn) Mein Kurwenal, du trauter Freund! Du Treuer ohne Wanken, wie soll dir Tristan danken? Mein Schild, mein Schirm in Kampf und Streit, zu Lust und Leid mir stets bereit: wen ich gehaßt, den haßtest du; wen ich geminnt, den minntest du. Dem guten Marke, dient' ich ihm hold, wie warst du ihm treuer als Gold! Mußt' ich verraten den edlen Herrn, wie betrogst du ihn da so gern! Dir nicht eigen, einzig mein, mit leidest du, wenn ich leide: nur was ich leide, das kannst du nicht leiden! Dies furchtbare Sehnen, das mich sehrt; dies schmachtende Brennen, das mich zehrt; wollt' ich dir's nennen, könntest du's kennen: nicht hier würdest du weilen, zur Warte müßtest du eilen mit allen Sinnen sehnend von hinnen nach dorten trachten und spähen, wo ihre Segel sich blähen, wo vor den Winden, mich zu finden, von der Liebe Drang befeuert, Isolde zu mir steuert! Es naht! Es naht mit mutiger Hast! Sie weht, sie weht die Flagge am Mast. Das Schiff! Das Schiff! Dort streicht es am Riff! Siehst du es nicht? (Heftig) Kurwenal, siehst du es nicht? (Als Kurwenal, um Tristan nicht zu verlassen, zögert, und dieser in schweigender Spannung auf ihn blickt, ertönt, wie zu Anfang, näher, dann ferner, die klagende Weise des Hirten) Kurwenal (niedergeschlagen) Noch ist kein Schiff zu sehn! Tristan (hat mit abnehmender Aufregung gelauscht und beginnt nun mit wachsender Schwermut) Muß ich dich so verstehn, du alte ernste Weise, mit deiner Klage Klang? Durch Abendwehen drang sie bang, als einst dem Kind des Vaters Tod verkündet. Durch Morgengrauen bang und bänger als der Sohn der Mutter Los vernahm. Da er mich zeugt' und starb, sie sterbend mich gebar. Die alte Weise sehnsuchtbang zu ihnen wohl auch klagend drang, die einst mich frug und jetzt mich frägt: zu welchem Los erkoren ich damals wohl geboren? Zu welchem Los? Die alte Weise sagt mir's wieder: mich sehnen, und sterben! Nein! Ach nein! So heißt sie nicht! Sehnen! Sehnen! Im Sterben mich zu sehnen, vor Sehnsucht nicht zu sterben! Die nie erstirbt, sehnend nun ruft um Sterbens Ruh sie der fernen Ärztin zu. Sterbend lag ich stumm im Kahn, der Wunde Gift dem Herzen nah: Sehnsucht klagend klang die Weise; den Segel blähte der Wind hin zu Irlands Kind. Die Wunde, die sie heilend schloß, riß mit dem Schwert sie wieder los; das Schwert dann aber ließ sie sinken; den Gifttrank gab sie mir zu trinken: wie ich da hoffte ganz zu genesen, da ward der sehrendste Zauber erlesen: daß nie ich sollte sterben, mich ew'ger Qual vererben! Der Trank! Der Trank! Der furchtbare Trank! Wie vom Herzen zum Hirn er wütend mir drang! Kein Heil nun kann, kein süßer Tod je mich befrein von der Sehnsucht Not; nirgends, ach nirgends find' ich Ruh: mich wirft die Nacht dem Tage zu, um ewig an meinen Leiden der Sonne Auge zu weiden. O dieser Sonne sengender Strahl, wie brennt mir das Hirn seine glühende Qual! Für diese Hitze heißes Verschmachten, ach, keines Schattens kühlend Umnachten! Für dieser Schmerzen schreckliche Pein, welcher Balsam sollte mir Lindrung verleihn? Den furchtbaren Trank, der der Qual mich vertraut, ich selbst, ich selbst, ich hab' ihn gebraut! Aus Vaters Not und Mutterweh, aus Liebestränen eh und je aus Lachen und Weinen, Wonnen und Wunden hab' ich des Trankes Gifte gefunden! Den ich gebraut, der mir geflossen, den wonneschlürfend je ich genossen verflucht sei, furchtbarer Trank! Verflucht, wer dich gebraut! (Er sinkt ohnmächtig zurück) Kurwenal (der vergebens Tristan zu mäßigen suchte, schreit entsetzt auf) Mein Herre Tristan! Schrecklicher Zauber! O Minnetrug! O Liebeszwang! Der Welt holdester Wahn, wie ist's um dich getan! Hier liegt er nun, der wonnige Mann, der wie keiner geliebt und geminnt. Nun seht, was von ihm sie Dankes gewann, was je Minne sich gewinnt! (Mit schluchzender Stimme) Bist du nun tot? Lebst du noch? Hat dich der Fluch entführt? (Er lauscht seinem Atem) O Wonne! Nein! Er regt sich, er lebt! (zart) Wie sanft er die Lippen rührt! Tristan (langsam wieder zu sich kommend) Das Schiff? Siehst du's noch nicht? Kurwenal Das Schiff? Gewiß, es naht noch heut; es kann nicht lang mehr säumen. Tristan Und drauf Isolde, wie sie winkt, wie sie hold mir Sühne trinkt. Siehst du sie? Siehst du sie noch nicht? Wie sie selig, hehr und milde wandelt durch des Meers Gefilde? Auf wonniger Blumen lichten Wogen kommt sie sanft ans Land gezogen. Sie lächelt mir Trost und süße Ruh, sie führt mir letzte Labung zu. Ach, Isolde, Isolde! Wie schön bist du! Und Kurwenal, wie, du sähst sie nicht? Hinauf zur Warte, du blöder Wicht! Was so hell und licht ich sehe, daß das dir nicht entgehe! Hörst du mich nicht? Zur Warte schnell! Eilig zur Warte! Bist du zur Stell'? Das Schiff? Das Schiff? Isoldens Schiff? Du mußt es sehen! Mußt es sehen! Das Schiff? Sähst du's noch nicht? (Während Kurwenal noch zögernd mit Tristan ringt, läßt der Hirt von außen die Schalmei ertönen) Kurwenal (springt freudig auf) O Wonne! Freude! (Er stürzt auf die Warte und späht aus) (atemlos) Ha! Das Schiff! Von Norden seh' ich's nahen. Tristan (in wachsender Begeisterung) Wußt' ich's nicht? Sagt' ich's nicht, daß sie noch lebt, noch Leben mir webt? Die mir Isolde einzig enthält, wie wär Isolde mir aus der Welt? Kurwenal (von der Warte zurückrufend, jauchzend) Heiha! Heiha! Wie es mutig steuert! Wie stark der Segel sich bläht! Wie es jagt, wie es fliegt! Tristan Die Flagge? Die Flagge? Kurwenal Der Freude Flagge am Wimpel lustig und hell! Tristan (auf dem Lager hoch sich aufrichtend) Hahei! Der Freude! Hell am Tage zu mir Isolde! Isolde zu mir! Siehst du sie selbst? Kurwenal Jetzt schwand das Schiff hinter dem Fels. Tristan Hinter dem Riff? Bringt es Gefahr? Dort wütet die Brandung, scheitern die Schiffe! Das Steuer, wer führt's? Kurwenal Der sicherste Seemann. Tristan Verriet' er mich? Wär' er Melots Genoß? Kurwenal Trau ihm wie mir! Tristan Verräter auch du! Unsel'ger! Siehst du sie wieder? Kurwenal Noch nicht. Tristan Verloren! Kurwenal (jauchzend) Heiha! Hei ha ha ha ha! Vorbei! Vorbei! Glücklich vorbei! Tristan (jauchzend) Kurwenal, hei ha ha ha, treuester Freund! All mein Hab und Gut vererb' ich noch heute. Kurwenal Sie nahen im Flug. Tristan Siehst du sie endlich? Siehst du Isolde? Kurwenal Sie ist's! Sie winkt! Tristan O seligstes Weib! Kurwenal Im Hafen der Kiel! Isolde, ha! Mit einem Sprung springt sie vom Bord ans Land. Tristan Herab von der Warte, müßiger Gaffer! Hinab! Hinab an den Strand! Hilf ihr! Hilf meiner Frau! Kurwenal Sie trag' ich herauf: trau meinen Armen! Doch du, Tristan, bleib mir treulich am Bett. (Kurwenal eilt fort) Tristan (in höchster Aufregung auf dem Lager sich mühend) O diese Sonne! Ha, dieser Tag! Ha, dieser Wonne sonnigster Tag! Jagendes Blut, jauchzender Mut! Lust ohne Maßen, freudiges Rasen! Auf des Lagers Bann wie sie ertragen? Wohlauf und daran, wo die Herzen schlagen! Tristan der Held, in jubelnder Kraft, hat sich vom Tod emporgerafft! (Er richtet sich hoch auf) Mit blutender Wunde bekämpft' ich einst Morolden, mit blutender Wunde erjag' ich mir heut Isolden! (Er reißt sich den Verband der Wunde auf) Heia, mein Blut! Lustig nun fließe! (Er springt vom Lager herab und schwankt vorwärts) Die mir die Wunde auf ewig schließe sie naht wie ein Held, sie naht mir zum Heil! Vergeh' die Welt meiner jauchzenden Eil'! (Er taumelt nach der Mitte der Bühne) Isolde (von außen) Tristan! Geliebter! Tristan (in der furchtbarsten Aufregung) Wie, hör' ich das Licht? Die Leuchte, ha! Die Leuchte verlischt! Zu ihr, zu ihr! (Isolde eilt atemlos herein. Tristan, seiner nicht mächtig, stürzt sich ihr schwankend entgegen. In der Mitte der Bühne begegnen sie sich; sie empfängt ihn in ihren Armen. Tristan sinkt langsam in ihren Armen zu Boden) Isolde Tristan! Ha! Tristan (sterbend zu ihr aufblickend) Isolde! (Er stirbt) Isolde Ha! Ich bin's, ich bin's, süßester Freund! Auf, noch einmal hör meinen Ruf! Isolde ruft: Isolde kam, mit Tristan treu zu sterben. Bleibst du mir stumm? Nur eine Stunde, nur eine Stunde bleibe mir wach! So bange Tage wachte sie sehnend, um eine Stunde mit dir noch zu wachen: betrügt Isolden, betrügt sie Tristan um dieses einzige, ewig kurze letzte Weltenglück? Die Wunde? Wo? Laß sie mich heilen! Daß wonnig und hehr die Nacht wir teilen; nicht an der Wunde, an der Wunde stirb mir nicht: uns beiden vereint erlösche das Lebenslicht! Gebrochen der Blick! Still das Herz! Nicht eines Atems flücht'ges Wehn! Muß sie nun jammernd vor dir stehn, die sich wonnig dir zu vermählen mutig kam übers Meer? Zu spät! Trotziger Mann! Strafst du mich so mit härtestem Bann? Ganz ohne Huld meiner Leidens-Schuld? Nicht meine Klagen darf ich dir sagen? Nur einmal, ach! nur einmal noch! Tristan! Ha! Horch! Er wacht! Geliebter! (Sie sinkt bewußtlos über der Leiche zusammen. Kurwenal war sogleich hinter Isolde zurückgekommen; sprachlos in furchtbarer Erschütterung hat er dem Auftritte beigewohnt und bewegungslos auf Tristan hingestarrt. Aus der Tiefe hört man jetzt dumpfes Gemurmel und Waffengeklirr. Der Hirt kommt über die Mauer gestiegen) Hirt (hastig und leise sich zu Kurwenal wendend) Kurwenal! Hör! Ein zweites Schiff. (Kurwenal fährt heftig auf und blickt über die Brüstung, während der Hirt aus der Ferne erschüttert auf Tristan und Isolde sieht) Kurwenal (in Wut ausbrechend) Tod und Hölle! Alles zur Hand! Marke und Melot hab' ich erkannt. Waffen und Steine! Hilf mir! Ans Tor! (Er eilt mit dem Hirten an das Tor, das sie in der Hast zu verrammeln suchen) Der Steuermann (stürzt herein) Marke mir nach mit Mann und Volk: vergebne Wehr! Bewältigt sind wir. Kurwenal Stell dich und hilf! Solange ich lebe, lugt mir keiner herein! Brangäne (außen, von unten her) Isolde! Herrin! Kurwenal Brangänes Ruf? (Hinabrufend) Was suchst du hier? Brangäne Schließ nicht, Kurwenal! Wo ist Isolde? Kurwenal Verrät'rin auch du? Weh dir, Verruchte! Melot (außerhalb) Zurück, du Tor! Stemm dich nicht dort! Kurwenal (wütend auffahrend) Heiahaha! Dem Tag, an dem ich dich treffe! (Melot, mit gewaffneten Männern, erscheint unter dem Tor. Kurwenal stürzt sich auf ihn und streckt ihn zu Boden) Stirb, schändlicher Wicht! Melot Weh mir, Tristan! (Er stirbt) Brangäne (noch außerhalb) Kurwenal! Wütender! Hör, du betrügst dich! Kurwenal Treulose Magd! (Zu den Seinen) Drauf! Mir nach! Werft sie zurück! (Sie kämpfen) Marke (außerhalb) Halte, Rasender! Bist du von Sinnen? Kurwenal Hier wütet der Tod! Nichts andres, König, ist hier zu holen: willst du ihn kiesen, so komm! (Er dringt auf Marke und dessen Gefolge ein) Marke (unter dem Tor mit Gefolge erscheinend) Zurück! Wahnsinniger! Brangäne (hat sich seitwärts über die Mauer geschwungen und eilt in den Vordergrund) Isolde! Herrin! Glück und Heil! Was seh ich? Ha! Lebst du? Isolde! (Sie müht sich um Isolde. Marke mit seinem Gefolge hat Kurwenal mit dessen Helfern vom Tore zurückgetrieben und dringt herein) Marke O Trug und Wahn! Tristan, wo bist du? Kurwenal (schwer verwundet, schwankt vor Marke her nach dem Vordergrund) Da liegt er hier... wo ich... liege. (Er sinkt bei Tristans Füßen zusammen) Marke Tristan! Tristan! Isolde! Weh! Kurwenal (nach Tristans Hand fassend) Tristan! Trauter! Schilt mich nicht, daß der Treue auch mit kommt! (Er stirbt) Marke Tot denn alles! Alles tot! Mein Held, mein Tristan! Trautester Freund, auch heute noch mußt du den Freund verraten? Heut, wo er kommt, dir höchste Treue zu bewähren? Erwache! Erwache! Erwache meinem Jammer! (Schluchzend über die Leiche sich herabbeugend) Du treulos treuster Freund! Brangäne (die in ihren Armen Isolde wieder zu sich gebracht) Sie wacht! Sie lebt! Isolde! Hör mich, vernimm meine Sühne! Des Trankes Geheimnis entdeckt' ich dem König: mit sorgender Eil' stach er in See, dich zu erreichen, dir zu entsagen, dir zuzuführen den Freund. Marke Warum, Isolde, warum mir das? Da hell mir enthüllt, was zuvor ich nicht fassen konnt', wie selig, daß den Freund ich frei von Schuld da fand! Dem holden Mann dich zu vermählen, mit vollen Segeln flog ich dir nach. Doch Unglückes Ungestüm, wie erreicht es, wer Frieden bringt? Die Ernte mehrt' ich dem Tod, der Wahn häufte die Not. Brangäne Hörst du uns nicht? Isolde! Traute! Vernimmst du die Treue nicht? (Isolde, die nichts um sich her vernommen, heftet das Auge mit wachsender Begeisterung auf Tristans Leiche) Isolde Mild und leise wie er lächelt, wie das Auge hold er öffnet seht ihr's Freunde? Seht ihr's nicht? Immer lichter wie er leuchtet, stern-umstrahlet hoch sich hebt? Seht ihr's nicht? Wie das Herz ihm mutig schwillt, voll und hehr im Busen ihm quillt? Wie den Lippen, wonnig mild, süßer Atem sanft entweht Freunde! Seht! Fühlt und seht ihr's nicht? Hör ich nur diese Weise, die so wunder- voll und leise, Wonne klagend, alles sagend, mild versöhnend aus ihm tönend, in mich dringet, auf sich schwinget, hold erhallend um mich klinget? Heller schallend, mich umwallend, sind es Wellen sanfter Lüfte? Sind es Wogen wonniger Düfte? Wie sie schwellen, mich umrauschen, soll ich atmen, soll ich lauschen? Soll ich schlürfen, untertauchen? Süß in Düften mich verhauchen? In dem wogenden Schwall, in dem tönenden Schall, in des Welt-Atems wehendem All ertrinken, versinken unbewußt höchste Lust! (Isolde sinkt, wie verklärt, in Brangänes Armen sanft auf Tristans Leiche. Rührung und Entrücktheit unter den Umstehenden. Marke segnet die Leichen. Der Vorhang fällt langsam) |